MAN SIEHT SICH IMMER ZWEIMAL

04.08.2019 – Über ein Wiedersehen der besonderen (schönen) Art nach 25 Jahren berichtet unser Mitglied Jan Penner und ruft damit auch gleich alle Holzbooteigner im HSC zur Teilnahme an den Summer Classics auf:

Wenn wir in den 80er Jahren mit den Blankeneser Jugendkuttern auf Elbe und Ostsee unterwegs waren, gab es da auch immer ein paar ältere Jugendliche, die mit ihren Wanderjollen dabei waren. Also Piraten, Elb-H-Jollen und Zugvögel. Da kamen dann Bewunderung und auch etwas Neid auf. Die waren mit ihrem eigenen Boot unterwegs und konnten machen was sie wollten! Das war cool!

Es war inzwischen 1991, das letzte Jahr Zivildienst lief (damals gab es noch die Wehrpflicht, und wer zu dieser Zeit den Wehrdienst verweigerte, musste 24 Monate Zivildienst leisten). Da kam das Angebot: Damals noch gedruckt auf Papier, ohne Foto unter dem Titel „Boots-Börse“. Ein Holzpirat von A&R, Baujahr 1956. Auf irgendeinem Bauernhof irgendwo hinter Wedel. Angerufen, hingefahren, angeguckt, als einigermaßen brauchbar eingeschätzt und gleich mitgenommen. Ich habe ein eigenes Boot!

Auf einem kleinen Bootslagerplatz in Osdorf habe ich mich dann daran gemacht, die diversen alten Lackschichten innen, außen, über und unter Wasser runter zu holen. Das blieb nicht unbemerkt, so manch ein älterer Herr kam vorbei, hat sich mit feuchten Augen an seine Jugend erinnert, von der A&R Qualität geschwärmt und auch wirklich hilfreiche Tipps gegeben.

Mit fortschreitender Arbeit hat sich herausgestellt, was für einen tollen Fund ich gemacht hatte: Das Boot sah recht runtergekommen aus, aber alle Voreigner hatten das Holz immer unter Lack gehalten. Also viele und trübe Schichten Lack, aber nicht eine dunkle Stelle am ganzen Boot, trotz der schon damals 35 Jahren auf dem Buckel. Abgesehen von der Scheuerleiste, damals von A&R in schön heller Esche als Kontrast zum Khaja-Mahagoni ausgeführt. Die war größtenteils nur noch Torf. Tatsächlich hat A&R sämtliche Anbauteile wie Scheuerleiste, Wellenbrecher und Schanzleisten nur mit etwas Lack dazwischen verschraubt. Alles ließ sich problemlos abbauen und ggf. ersetzen.

Die alten Tufnol-Klemmen und Holzblöcke erschienen natürlich hoffnungslos veraltet und wurden durch modernes Material mit Kugellagern ersetzt. Zu diesem Zweck pilgerte ich mehrfach zu Frank, dessen Segelmacherei damals noch in Altona in der Holländischen Reihe residierte. Online-Shopping war noch nicht erfunden, und Frank freute sich jedes Mal unheimlich, wenn ich seinen Laden betrat. Wie kann es eigentlich sein, dass man für so ein kleines Boot so viel Tüddelkram braucht? Es wurde ein kompletter Traveller konstruiert und nachgerüstet (natürlich mit Bogen nach unten und nach hinten und herausnehmbar), dann kamen noch Elvströmlenzer und Auftriebskörper rein und eine sündhaft teure, aber auch traumhaft perfekte Tourenpersenning von Hinsch & Ruhland (die inzwischen leider nicht mehr vorhandene Segelmacherei in Glückstadt, bei der auch die Segel der Gorch Fock gemacht wurden).

Zum Schluss die Göhl noch blau hinterlegt und neu mit Blattgold ausgelegt, und los konnte es gehen: Zwei Saisons bin ich damit auf Elbe und Ostsee unterwegs gewesen, das „Möbel“ hat durchaus Aufsehen erregt und dazu geführt, dass uns so mancher dänischer Havnevogt das Hafengeld erlassen hat. Ob aus Anerkennung oder Mitleid weiß ich nicht, war uns damals aber egal, Hauptsache die Bordkasse wurde geschont.

Der Autor mit blonder Schönheit auf „Pandora“ im NO-Kanal

Auf der Elbe wurde ich mehrmals angesprochen, dass es doch jetzt eine neue Veranstaltung beim HSC auf der Alster gäbe, die „Holzbootregatta“. Da müsse ich doch unbedingt mit dem Schmuckstück hin. Das klang nach einer netten Idee, irgendwie hat es aber leider zeitlich nicht geklappt.

Der ganze Spaß war dann nach zwei Saisons schon vorbei, meine Eltern haben sich durchgerungen nun doch ein eigenes „richtiges“ Boot anzuschaffen. Und zwei Boote in der Familie erschienen uns zu viel. Also verkaufte ich das gute Stück schweren Herzens Anfang 1994 an eine junge Frau und schwor mir angesichts der gemachten Erfahrungen, niemals ein Boot aus Vollholz anzuschaffen, das länger als 5 Meter ist.

Die Jahre vergingen, es kamen Beruf und Familie und irgendwann die Notwendigkeit mit einem kleinen Boot neu anzufangen. Also doch Mitglied im HSC und ein Boot auf der Alster. So segelte ich eines Tages in diesem Juli nach Feierabend mit meinem Joghurtbecher über die Alster, als mir plötzlich ein Holzpirat auffiel. Wieso hat der die Segelnummer 1098? Warum hat der genau so einen Traveller, wie ich ihn damals gebaut habe? Mir wurde ganz mulmig zu Mute, ich beschloss im Auge zu behalten wo dieses Boot anlegen würde.

Das war dann ganz einfach, kurz nachdem ich an unserem C-Steg festgemacht hatte, kam der Pirat vorbeigefahren und legte etwa 10 Plätze weiter an. Da war ich platt. 25 Jahre nach dem Verkauf stehe ich mit Frau und Kind vor dem Boot, dass sie bisher nur aus Erzählungen und von Fotos kannten. Was für ein überraschendes und schönes Wiedersehen.

Tatsächlich gehört das Boot jetzt wieder einer jungen Frau. Und da steht wieder ein älterer Herr mit feuchten Augen und gibt Tipps. Soll nochmal einer sagen, Geschichte wiederhole sich nicht……Mit seinen inzwischen 63 Jahren bietet sich das Boot in meinen Augen nun wirklich für die Teilnahme an der Holzbootregatta (inzwischen in Hamburg Summer Classics umbenannt) an.

Wäre das nicht schön?

Text und Fotos: Jan Penner

Anmerkung der Redaktion: Jan’s Sohn Vincent segelt in diesem Jahr zusammen mit Benjamin Frahm die Summer Classics auf dem HSC-Puschen mit. Irgendwann ist er dann der „ältere Herr“, der vielleicht sein Boot in irgendeiner Lagerhalle wiederfindet…..