MIT HACKEBEIL INS KATTEGATT

15.08.2022 – Als der erste Coronasommer mit seiner unsäglichen Langeweile zuschlug, habe ich mir einen VEB-Piraten von 1957 in fragwürdigem Zustand in einer halbverrotteten Garage angelacht und mit viel Zeit und Bordmitteln wieder aufgepäppelt. 

Der darauffolgende Sommer auf der Müritz und der Elbe waren schon ein guter Anfang, aber da geht noch mehr in Richtung „richtiges“ Fahrtensegeln.

Auch wenn ich nicht in der 10-Meter-5-Tonnen-Liga mitspiele, wollte ich trotzdem einmal die Ostsee erkunden.  Und da es Berichte auch von noch aktiven HSC-Kollegen gibt, die das in ihrer Jugend auch mit einem Piraten getan haben, war bald klar, dass es das sein würde, was ich diesen Sommer vier Wochen lang tun würde.

Das Ziel war schnell festgelegt:  Bis zum Limfjord. Warum? Gute Frage, keine Ahnung. Der Startpunkt war noch variabel; am Ende wurde die Schlei gewählt, weil der Rest der Familie dort eine Woche Urlaub machte und ich für den Törnstart etwas Unterstützung erhoffen konnte.  Die ich auch brauchte, wie sich herausstellen sollte.

Am 15. Juli ging es also los zum schönen Fleckeby an der Großen Breite und Akula wurde das erste Mal dieses Jahr ins Wasser geschoben.  Und war dann erstmal weg. Und quoll überhaupt nicht so schnell dicht wie im letzten Jahr.  Da war es schon praktisch, dass da noch ein Ferienhaus in der Nähe war, wo ich meinen Schlafsack und mich über Nacht parken konnte…  Mein Schneckenhaus lag jedenfalls die ganze Nacht bis zum Süllrand voll mit Schleiwasser…  Am nächsten Tag wurde dann der Hafenmeister von einer Welle von Alarmanrufen überrollt:  In seinem Hafen ist ein Boot gesunken!  Das nächste Mal mache ich auf jeden Fall ein Schild ans Boot, dass das so soll.

Danach ging es dann los.  Zuerst zwei Tage mit meinem Bruder an Bord bis Maasholm, dann alleine weiter raus auf die Ostsee, links rum nach Gelting, dann Sønderborg, dann Dyvig (mit Schlepphilfe bei viel zu viel Wind und Welle aus NW).  Im Aabenraa-Fjord ist mein Vater mit seiner H-Jolle „Hugo“ dazugestoßen und wir sind gemeinsam weiter über Barsø, Aarø, Middelfart, Rosenvold, Snaptun, Hou bis hoch nach Aarhus.  Mein Vater hat dann mit Hugo wieder abgemustert und ich bin alleine weiter über Egaa, Ebeltoft, Øer und schließlich Grenaa.

Und es war alles dabei:  Schweinswale, Robben, ein zerbrochenes Pinnenauslegergelenk bei meinem Vater, die Reparatur desselben, Flaute, Sonne, Regen, Wind, viel Wind, Strom (zum Glück von hinten!), Wellen (Das war schon ein cooles Gefühl mit so einer Nußschale bei Dünung aus Südost raumschots surfen zu gehen), Gewitter, Ankern, zu einer Weltumsegelung Aufbrechende treffen, nette Hafenmeister, nicht so nette Hafenmeister, Hafenmeisterautomaten, Hafenmeisterverabschiedungsfeiern, Reffen, Ausreffen, Pützen ohne Ende, Sonnenauf- und -untergänge.  In der Regel war ich der einzige mit einer Jolle im Hafen und damit meistens in einen Plausch verwickelt.  Ich hab immer hoch geguckt, die anderen immer runter.  Zwischenzeitlich noch eine Strichliste angefangen:  Für jedes „Das habe ich in meiner Jugend auch mit einem Piraten gemacht!“ gab es einen Strich.  Bin am Ende bei 12 rausgekommen.  Mein Vater konnte immerhin einen Ex-H-Jollen Wasserwanderer auf seiner Liste festhalten.

Und dann auf der letzten Etappe nach Grenaa:  Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieber…  Diese 20 Seemeilen ins Kattegat hinein waren wettermäßig fast die schönsten, aber leider konnte ich sie so gar nicht genießen. Als ich in Grenaa einen Coronatest machte um meinen Zustand auf die drei vorherigen Nächte ohne Schlaf (viel Wind → Masten mit Rollgroßsegel, die zu einer echten Lärmbelästigung werden, flatternde Persenning und die glücklicherweise unerfüllte Befürchtung, dass letztere wegfliegt) schieben zu können, verkündeten zwei Striche das Ende des Törns.  Mein Vater ist noch in der Nacht mit dem Trailer los und hat am nächsten Tag frühmorgens erst Akula aufgeladen und dann mich ins Auto bugsiert.  52 sm wären noch zu Segeln gewesen bis zum Limfjord… aber wenigstens lag es an höherer Gewalt und nicht am Seglerischen, und mittlerweile finde ich den 240-Meilen-Törn von Fleckeby nach Grenaa auch ganz ok.  Limfjord kommt dann hoffentlich noch wann anders.

Mehr Bilder von dem Törn können auf Instagram bei @sailing.benji gefunden werden. Sollte ich nochmal losfahren, passiert da dann auch wieder mehr. Rund Fünen, rund Seeland, die schwedischen Schären oder die niederländische Küste klingt alles sehr interessant :)

Bericht und Fotos Benjamin Frahm