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Die „Rubin“ ist Legende – und das gleiche kann man auch von den Männern sagen, die sie gesegelt haben. Eine dieser Legenden ist Hans-Ulrich „Uli“ Tischendorf (86) – und wir konnten ihn für ein Interview gewinnen. Uli war bei zwei Siegen des deutschen Teams Teil der Rubin-Crew. Andreas hat ihn in der Seniorenresidenz Finkenau besucht und zu den „alten Zeiten“ befragt.

Andreas: Uli, ich freue mich riesig dich hier bei guter Gesundheit anzutreffen – wir haben uns ja nun auch schon etliche Jahre nicht gesehen. Toll, dass du uns aus den Glanzzeiten der Rubin und ihrer Crew berichten magst!

Wie würdest Du den Teamgeist und die Zusammenarbeit an Bord der Rubin beschreiben? Gab es besondere Rituale oder Routinen?

Uli: Wir waren halt ein eingeschworenes Team, man gehörte einfach zusammen, war auf Augenhöhe. Jeder hat sich für das Ziel aller eingesetzt ohne zu murren. Und unser Skipper Hans-Otto Schümann war immer höflich und zugänglich und hat unsere Anliegen erhört. Aber er war auch – ganz hanseatischer Unternehmer – sehr zielorientiert und wusste, was er wollte. Und was nicht!

Andreas: Was war die größte Herausforderung, die Du und die Crew während des Cups meistern mussten?

Uli: Das war natürlich der Orkan beim Fastnet 1979, bei dem so viele Segler ihr Leben liessen – das war schon tragisch. Man muss aber dazu sagen, dass es keine Opfer aus den Kreisen der Admirals-Cupper gab. Es waren nur kleinere Yachten betroffen, die zwar am Fastnet-Race teilnahmen, aber nicht am Cup.

Wir hatten da keine Angst und die Situation immer unter Kontrolle. Wir waren vier junge Leute an Deck, Jochen Wiese und ich; die anderen habe ich vergessen. Hans-Otto haben wir unter Deck in die Koje geschickt. Er war ja deutlich älter als wir und unser Skipper, den wir nicht verlieren durften. Ein MoB-Manöver wäre unter diesen Bedingungen eine echte Herausforderung gewesen. Wir waren schon um den Rock, als der Orkan unvermittelt losbrach und liefen raumschots im wilden Surf Richtung Wendemarke vor der französischen Küste. Die erwies sich als so klein, dass man sie nur sehr schlecht ausmachen konnte. Zum Glück habe ich sie dann doch zwischen den Wellentürmen entdeckt und wir konnten sie runden und bei nachlassende Sturm zum Ziel nach England zurück kreuzen.

Man kann wohl sagen, dass wir eine ausgezeichnete Seemannschaft hatten und deswegen sicher durchgekommen sind.

Andreas: Was hat am meisten Spaß gemacht?

Uli: Die Downwindgänge bei ordentlich Brise, wenn die „Rubin“ auf den Wellen ins Surfen kam. Da war das Speedo öfter am Anschlag! IOR-Yachten waren nicht zum Gleiten gebaut und wenn sie ihre Rumpfgeschwindigkeit überschritten, war das sehr nass und sehr spektakulär.

Und viel Spaß hat es natürlich auch gemacht, die Ziellinie als erster zu kreuzen!

Andreas: Gab es an Bord der „Rubin“ technische Besonderheiten oder Innovationen, die Deiner Meinung nach einen Unterschied gemacht haben?

Uli: Unser Skipper war ein „Formel-Fuchs“ und man kann davon ausgehen, dass er mit seinen Booten – an deren Konstruktion er ja auch aktiv mitgewirkt hat – immer ziemlich dicht am Optimum war. Und es gab eigentlich jedes Jahr ein neues Schiff (Red.: es waren 16!) nach neuesten Erkenntnissen, die unter anderem in Schlepptankversuchen an der HSVA gewonnen wurden. Computersimulation gab es ja noch nicht. Probleme mit der Bootsgeschwindigkeit hatten wir eigentlich nie.

Andreas: Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten hattest Du während der Rennen? Gab es eine spezielle Position, die Dir besonders lag?

Uli: Ich habe den Spi gefahren. Ich stand dann immer in Luv an der breitesten Stelle der Rubin und habe die Schot bedient und das Setzen und Bergen koordiniert. Wenn auf den Bildern da einer steht, bin das immer ich.

Andreas: Wie hast Du die Konkurrenz und das internationale Teilnehmerfeld erlebt? Gab es besondere Rivalitäten oder Freundschaften?

Uli: Es war ja eine sehr internationale Veranstaltung mit Teams aus Großbritannien, Frankreich, Schweden, Neuseeland, Australien etc. Wir waren natürlich alle Kontrahenten, haben aber trotzdem abends beim Bier zusammen gesessen und über die Ereignisse des Tages gesprochen. Natürlich gab es Rivalitäten – gewinnen wollten sie ja alle. Aber ich erinnere mich nicht an ernste Auseinandersetzungen – es ging immer fair und respektvoll zu.

Andreas: Welche Beziehungen oder Verbindungen gibt es noch zu Cowes und dem RORC?

Wir hatten für den Cup immer das gleiche Haus gemietet und waren da Stammgäste. Die Eignerfamilie ist für die Woche ausgezogen; das war üblich und viele Crews haben so gewohnt. Hans-Otto hatte da ein großes, eigenes Schlafzimmer. Kontakt zu der Familie gibt es nicht mehr; das ist ja schon so lange her.

Hans-Otto war in Cowes bekannt und äußerst beliebt. Die Engländer hatten ihm zu Ehren den Spruch „my Motto, Hans-Otto“ kreiert. Davon gab es sogar Sticker!

Andreas: Gab es ein Wetterereignis oder Bedingungen, die Dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Uli: Den Orkan 79 hatten wir ja schon….sowas vergisst man natürlich nicht.

Von großer Bedeutung waren aber auch gute Kenntnisse über den Tidenstrom, der im Solent extrem komplex ist. Da gibt es Seezeichen und Wendemarken, an denen der Strom von einem Moment zum anderen kippt und da braucht man gute Revierkenntnisse und einen fähigen Navigator. Wenn der da was vergeigt hat, konnte man sich den Rest der Regatta schon auch mal in Ruhe von einer Sandbank aus ansehen.

Andreas: Wie haben sich die Siege beim Admiral’s Cup auf Dein weiteres Leben und Deine Segelkarriere ausgewirkt?

Uli: Meine Segelkarriere begann auf Pirat und H-Jolle auf Elbe und Alster. Ich bin früh in den HSC eingetreten und Ernst Lehfeld (Red.: HSC-Mitglied, Konstrukteur von Puschen, Zugvogel und Korsar) war mein „Nenn-Onkel“. Meine ersten Dickschiff-Erfahrungen machte ich auf der „Suca“ von Willi Kurth (BSC), bin dann aber schon bald zur Rubin-Crew gestoßen.

Beruflich bin ich Jurist und ich war Oberinspektor und Oberamtsanwalt im Staatsdienst. Diese Karriere habe ich dann aber irgendwann aufgegeben und wurde Hans-Otto‘s Privatsekretär.

Andreas: Wenn Du heute auf die damalige Zeit zurückblickst: Was würdest Du anders machen? Gibt es Entscheidungen, die Du heute anders treffen würdest?

Uli: Nein, ich denke, ich habe alles richtig gemacht. Auf der Rubin hatte ich eine großartige Zeit. Wir sind ja nicht nur im Solent gesegelt, sondern waren auch mehrfach beim Sardinia-Cup (Red.: früher im Wechsel mit dem Admiral’s Cup alle zwei Jahre vor Porto Cervo ausgetragen), den wir als Teammitglied auch zweimal gewinnen konnten.

Andreas: Das Leben auf einer Regattayacht ist nass, unkomfortabel und anstrengend…..was hat Euch dazu motiviert, das durchzustehen?

Uli: Wir waren alle reine Amateure, Geld gab es noch keines für die Segelei. Wir haben immer schon im Winter zusammengesessen und die nächste Saison geplant. Wir haben auch schon nicht mehr auf dem Boot geschlafen. Unterkunft und Reisekosten gingen allerdings immer auf den Rubin-Etat. Segeln ist halt mein Sport und das war für mich immer Motivation genug.

Andreas: Welche Ratschläge oder Erfahrungen würdest Du jungen Seglern von heute mitgeben, die von ähnlichen Erfolgen träumen?

Uli: Sucht euch ein gutes Boot, mit einer guten Crew und einem guten Skipper, schafft Euch eine solide Basis, seid stets fair und loyal und haltet eurem Team die Treue. Der Rest findet sich.

Andreas: Letzte Frage, dann lasse ich dich in Ruhe……Trägst Du eigentlich noch die typischen, roten „Cowes-Hosen“ (Red.: rote Chinos zum Crew-Shirt waren (und sind?) der Leisure-Dresscode der Hochseesegler)?

Uli: Ja, ich habe tatsächlich noch so eine rote Hose, die ich gern trage. Früher bei den Abendveranstaltungen trugen wir ja fast alle diese „Uniform“; das war irgendwie auch Ausdruck von Teamgeist und gelebter Gemeinsamkeit.

Andreas: Uli, im Namen deines HSC und seines Vorstandes danke ich Dir für dieses schöne Gespräch und wünsche dir weiter Gesundheit und alles Gute. Wir würden uns alle freuen, dich mal wieder in unserem schönen Clubhaus begrüßen zu dürfen!

English Version of the Interview with Admiral’s Cup veteran Uli Tischendorf (SY Rubin)

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