Heute ist Saisonstart für mich. Sonnenschein, guter Wind – keine Ausreden: ich starte bei der Känguruh. Mit dem Puschen. Kampfgewicht 95kg – genau wie damals 1971, nur da hatten wir das zu zweit und ich war auch irgendwie beweglicher. Naja, wird schon gehen. Muss ja.
Erstmal zwei Magnesiumpillen einwerfen, schonmal zur Vorbeugung. Dann noch schnell ein paar kleinere Optimierungen am Boot: ein Spectra Fockfall gegen den Vorstagdurchhang, ein Baumniederholer damit auch raumschots Freude aufkommt und ein Ruder, das man ohne Kran einhängen kann. Dann zur Uhr, Startzeit programmieren…..?? Muss ich ja nicht, YS 140, da starte ich um halb und brauche keinen Countdown.
Da kommt Calle Sibbert. Segelt nach eigenem Bekunden das erste Mal seit 10 Jahren wieder mit. Im Finn? Nee, zu anstrengend. Lieber Inklusion, RS Venture Connect, segeln im Sitzen. Altersgerecht. Wie recht er hat sollte ich auch noch merken.
„Rake is fast“ stand damals in „Gewinnen“ von John Oakley. Schon beim Rausfahren komme ich kaum unter dem Baum durch; das mit dem Rake (Mastfall) habe ich wohl übertrieben. Dann erstmal Schoten dicht, mal Druck machen, schauen, ob das Ding noch so schön gleitet wie damals und ob alles hält. Schöne Bö, locker 4 Bft, abfallen, anpumpen, Gewicht nach achtern und ab geht die Post. Dabei kommen dann auch gleich die ersten zwei Liter Wasser über. Puschen segeln nass und haben keine Lenzer – hatte ich ganz vergessen.
Dann verabschiedet sich erstmal der Großschotblock. Nachlässig angebunden. Die Suche nach dem Schuldigen erübrigt sich, kommt weiter niemand in Frage. Also wieder anknoten – mal sehen, was noch alles kaputt geht (nichts übrigens – oh Wunder!) Gerade noch rechtzeitig, schon 18:25. Ich suche nach der „Startmaschine“, kann das landseitige Ende der Linie noch nicht ausmachen. 18:28 und es kommt jemand mit der Maschine (warum heisst das eigentlich. „Maschine“, so ganz ohne bewegliche Teile??). Wird auch Zeit.
18:30 und ich starte bei „Null“. Hinter mir nur die SV14, die schnell achteraus fällt. An der ersten Kreuz guter Druck, ein schöner Zieher, dann der unvermeidliche Linksdreher und die erste Wende. Oh mein Gott, das können die Segelschüler bei Prüsse besser! Der Ausleger ist zu lang und hakt an der Großschot. Die Fock flattert gefühlt eine Minute. So wird das nix. Beim nächsten Mal kriege ich die Großschot nicht aus der Klemmen und in dem Moment fällt eine Bö ein……jetzt bloß nicht „volllaufen“! Ein Puschen kentert nicht, es „läuft voll“ bei zuviel Krängung – mangels Seitendeck. Ich kann die GMB (größtmögliche Blamage) grade noch abwenden.
Warum dreht eigentlich der Wind an der Kreuz immer nach rechts, wenn ich auf Stb.-Bug bin und nach links, wenn ich auf Bb. fahre? Eine Kreuz zum Vergessen und schon hier ist klar, dass es mit einer vorderen Platzierung schwierig wird. Wenigstens ist ordentlich „Prescha“, wie die Kiwis das beim Amercas Cup immer nennen. Gleich nach der Rundung von Tonne 3 ist der Druck dann aber wieder weg und mit Gleiten ist nada. Mist – die Alster mag mich einfach nicht. Auf dem nächsten Vormwinder werde ich mit einer schönen Bö und entsprechender Gleitfahrt entschädigt, die dann aber leider auch die letzte für diesen Abend sein sollte.
Bis zur Tonne 5 liege ich noch vorn, aber jetzt kommen die Aero und ein Laser schnell von hinten auf und es beginnt dieser ganz spezielle Känguruh-Frust, den es nur bei dieser Form der Vergütung gibt: die schnelleren Boote überholen dich einfach und du kannst NICHTS aber auch GARNICHTS dagegen tun. Zum Glück treffe ich auf dem letzten Vormwinder die Windstriche recht gut und kann schlimmeres vermeiden. Ins Ziel komme ich als Zehnter (von 75), womit ich eigentlich zufrieden sein könnte. Aber nicht wirklich bin……die hundert Meter, die mich die Wenden gekostet haben, hätte ich jetzt gut brauchen können.
Fazit: Da ist noch viel Luft nach oben. Wenden ohne Fahrtverlust wären z.B. eine gute Sache, da kommen über den ganzen Kurs gerechnet leicht 100m zusammen. Meine Knie schmerzen und ich habe jetzt schon Wadenkrämpfe. Leider hatte Ernst Lehfeld beim Zeichnen des Puschen das Thema Ergonomie noch nicht so wirklich im Blick. Alles ist eckig und eng (klar, ist ja auch ein Kinderboot!), überall sind Kanten zum dran stoßen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass zwei 45kg-Kinder mit etwas Talent, Training und einem gesunden Ehrgeiz auf dem Puschen bei der Känguruh echte Siegchancen hätten.
Vielleicht versucht es ja mal jemand!? Ich halte mich da jetzt jedenfalls zurück. Immer IBU vorm Schlafengehen soll ja auf’s Herz gehen.
Bericht: Andreas Borrink
Foto: Archiv