Der Rostocker Stadthafen war zum zweiten Mal in Folge der Schauplatz der Weltmeisterschaft im Inklusiven Segeln und zugleich ein Ort perfekt gelebter Inklusion auf dem Wasser und an Land.
Nach vier Wettfahrttagen mit guten Segelbedingungen gingen am Sonntag die Titelkämpfe vor Rostock zu Ende. Den „Hamburger Deerns“ Silke Basedow und Nadine Löschke gelang die Titelverteidigung. Weltmeister in der Klasse RS Venture Connect wurden Genevieve Wickham und Grant Alderson aus Australien.
Es blieb spannend bis zuletzt. In den zwei Finalrennen realisierten die Teams teilweise erst an Land, dass sie gewonnen hatten, und reagierten dann umso emotionaler. Denn: Der Sieg errechnete sich aus den Ergebnissen der Vorrunden und der Platzierung im Finale. Knapp ging es in beiden Finalläufen zu.
Den Endlauf der Gesamtwertung segelten die acht besten Teams aus den Vorrunden in Booten der Klasse SV14 aus. Zuvor hatten sie täglich auch Rennen im RS Venture Connect absolviert. Bis zur Leetonne lag das Team aus Australien souverän vorne, entschied sich dort aber für die vom Wind her ungünstigere Seite und wurde von den Titelverteidigerinnen Silke Basedow und Nadine Löschke eingeholt, die erneut die Goldmedaille ersegelten. Silber holte das jüngste Team der Weltmeisterschaft: Annelie Kraatz und Leo Paul Nüske aus Rostock, die als Lokalmatadore an Land mit Applaus und Jubel begrüßt wurden. Bronze ging nach Australien.
„Wir freuen uns, dass wir den Titel verteidigen konnten, auch wenn es im Finale deutlich knapper war als 2022. Im Endlauf hatten wir perfekte Windbedingungen, eigentlich die besten der ganzen WM“, sagte Silke Basedow vom Team „Hamburger Deerns“. „Wir wollten aufs Treppchen kommen und freuen uns sehr über den Sieg“, ergänzte ihre Teamkollegin Nadine Löschke.
Dass sie plötzlich Vizeweltmeister sind, konnten die beiden 14-Jährigen Annelie Kraatz und Leo Paul Nüske kaum fassen. Zwar hatten sie sich während der gesamten WM gut geschlagen und in den meisten Läufen die Ziellinie als Erste überquert, aber mit einer Medaille hatte keiner der beiden gerechnet. „Ich kann das noch gar nicht ganz begreifen, wir hatten vorab lediglich gehofft, in der ersten Hälfte zu landen. Es ist wirklich super gelaufen“, freute sich Annelie Kraatz. Ihr Teampartner Leo machte sich mit dem Vizetitel ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk, denn morgen feiert er seinen 15. Geburtstag – als frisch gebackener Vizeweltmeister. „Zum ersten Mal dabei und gleich Vizeweltmeister dank meiner 29er-Kapitänin – das ist das größte Geschenk, das ich je bekommen habe“, freute sich Leo überwältigt und mit Tränen in den Augen.
Im zweiten Finallauf ging es um den Weltmeistertitel in der Klasse RS Venture Connect, und auch hier wurde es eine extrem knappe Entscheidung. Allen voran fuhr das britische Team mit Jazz Turner und Adam Billany über die Ziellinie und konnte den Erfolg gar nicht glauben. Mit erstauntem Blick und Tränen in den Augen kam Turner ins Ziel, die einen Tag vorher aufgrund gesundheitlicher Probleme pausieren musste. Ihr Comeback fiel extrem positiv aus, mit einer WM-Silbermedaille im RS Venture Connect. Teamkollege Billany war sprachlos vor Freude.
Besonders gut lief es im zweiten Finale für das australische Team. Wieder hatten sie sich auf dem Weg zur Luvtonne für eine andere Richtung als die meisten anderen Teams entschieden – in diesem Fall für die richtige. Es war der Kurs zur Goldmedaille. Das enge Rennen mit Silke Basedow und Nadine Löschke kurz vor der Ziellinie konnte daran nichts mehr ändern. „Yes“ rief Alderson im Ziel erleichtert. „Es hätte nicht knapper sein können. Wir wussten, dass wir alles geben müssen, und es hat geklappt. Wir sind unfassbar glücklich, mit zwei Medaillen im Gepäck nach Hause zu fahren – unfassbar“, sagte er nach der Siegerehrung. Auch seiner Segelpartnerin stand die Freude ins Gesicht geschrieben. Beide waren begeistert von der familiären Atmosphäre bei der Inklusions-WM und lobten die gute Organisation und Gastfreundschaft. „Wir haben den Aufenthalt in Rostock und die tolle Atmosphäre beim Event sehr genossen“, so Alderson. Die Bronzemedaille im RS Venture Connect ging an Silke Basedow und Nadine Löschke.
Den Titel in der Para-Wertung ersegelten die Norwegerinnen Henriette Smith und Solfrid Lindhjem Kvinnesland.
Mit der Siegerehrung ging die 4. Inklusions-Weltmeisterschaft im Segeln am Nachmittag zu Ende. Begleitet von großem Beifall erhielten nicht nur die ersten Drei der beiden Finalläufe eine Medaille, sondern alle Teilnehmenden durften eine als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Überreicht wurden die Medaillen von Stefanie Drese, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport in Mecklenburg-Vorpommern, der Präsidentin der Rostocker Bürgerschaft Regine Lück und Hannah Stodel von World Sailing. Drese betonte noch einmal die Strahlkraft der inklusiven Weltmeisterschaft und sagte, dass sie sich sehr gefreut habe, die Schirmherrschaft dafür erneut übernehmen zu dürfen.
Die perfekt gelebte Inklusion bei der Weltmeisterschaft hob auch DSV-Präsidentin Mona Küppers hervor. „Die Inklusions-WM ist Segelsport zum Anfassen – in einer Form, die deutlich macht, dass Segeln weder elitär noch auf bestimmte Personengruppen beschränkt ist. Ihr Teilnehmer der Weltmeisterschaft zeigt eindrucksvoll, was möglich ist, wenn viele gemeinsam ein Ziel verfolgen. Ihr seid aktive Vorbilder für alle, die noch vom Segeln träumen. Für Menschen mit und ohne Handicap“, sagte sie zu den Aktiven. Ein Teammitglied mit und eins ohne Handicap zusammen in einem Boot – das bedeute für sie echte gelebte Inklusion, wenn Grenzen, die aufgrund von körperlichen Unterschieden bestehen, aufgehoben werden und die Teamleistung für den Erfolg entscheidend ist. Der Sport stünde so im Vordergrund, nicht das Handicap.
Wie gut die Inklusion im Sport funktionieren kann, zeigte die Inklusions-Weltmeisterschaft eindrücklich – auf dem Wasser, aber auch an Land beim Rahmenprogramm. Viel Lob ernteten die Organisatoren von den Teilnehmenden, von denen sich bereits viele auf die nächste Auflage des Events freuen.
Bericht: Katrin Heidemann
Foto: Pepe Hartmann