Das diesjährige Silver Rudder war ein sehr intensives und anstrengendes Rennen, so dass es noch ziemlich lange nachgewirkt hat. Mit etwas Abstand und Ruhe möchte ich nun die Gelegenheit nutzen und ein bisschen berichten und reflektieren.
Denn wohingegen das Rennen letztes Jahr noch sowas wie eine lustige Tour unter Regatta Bedingungen für mich war, wo ich jede Meile genießen konnte, musste ich dieses Mal richtig hart fighten und die ein oder andere Challenge bestehen…
Aber der Reihe nach: Nachdem Luca, Luca und Chris die Play Harder in Laboe perfekt für das Abendteuer vorbereitet hatten (vielen vielen Dank) musste ich am Mittwoch eigentlich nur noch Proviant und Klamotten an Bord schmeißen und losfahren. Auch wenn ich erst ziemlich spät losgekommen bin (zu viel Arbeit), war der Trip super entspannt, weil es nach Ærø entgegen der Vorhersage doch keine Kreuz sondern ein schöner Anlieger war. Höhepunkt war ein wunderschöner Sonnenuntergang vor Marstal.
Den Donnerstag konnte ich in erster Linie zum Schlafen und Ausruhen nutzen (der wichtigste Punkt auf der ToDo-Liste), denn Bernhard hatte sich angekündigt, um mir als Shore Crew bei den letzten Vorbereitungen zu helfen, was wirklich großartig war, weil wir so mega schnell fertig waren! Björn hatte mir nämlich seinen neu entwickelten J0 zum Testen mitgegeben und so musste eine zweite Tackline mit einem zweiten Furler angebaut werden, damit ich J0 und Code 0 ohne viel Action tauschen konnte.
Dann ging es früh ins Bett und ich konnte erstaunlich gut schlafen (ich war ja perfekt vorbereitet).
Der Kurs sollte uns gegen den Uhrzeigersinn rund Fynen führen, so dass wir also zunächst aus dem Svendborg Sund nach Süden rauskreuzen mussten.
Beim Start kam ich ziemlich gut weg und konnte bereits nach der zweiten Wende die Führung übernehmen, was mir ermöglichte mich ausschließlich auf Plotter, Segel und Autopiloten zu konzentrieren, so dass ich ziemlich entspannt durch den heimtückischen Sund hindurch fand.
Auf dem Weg nach Thurø Rev kam kurz der Code 0 zum Einsatz. Anschließend ging es mit dem A2 zur Großen Belt Brücke. Dort musste ich schweren Herzens Patrik Heinrichs mit seiner neuen Esse 850 vorbeiziehen lassen, weil ich den Speed einfach nicht mitgehen konnte. VMG Downwind bei 12 Knoten Wind liegen der Esse einfach deutlich besser… Diese Erkenntnis war hart aber sehr real…
Eine kleine Aufmunterung gab es in Gestalt einer X99 Crew, die im Cruising Mode auf dem Weg nach Süden ‚rein zufällig‘ direkt an mir vorbeifuhr und mich anfeuerte. Die anschließend übersendeten Fotos (vielen Dank Philine) und insbesondere die Perspektive von hinten erinnerte mich daran, dass ich ja noch einen Outrigger hatte und so wurde der Gennaker Trimm nochmal leicht angepasst…
Außerdem sorgte die Info, dass beide Aeolos P30 den Svendborg Sund wegen Gundberührungen nicht verlassen hatten, für ein bisschen Entspannung. Das wünscht man zwar keinem! Ich lag da 2020 ja auch eine gute halbe Stunde auf dem Sand… Aber dennoch muss ich zugeben, dass ich eine gewisse Erleichterung verspürte, weil das Rennen nun definitiv weniger anstrengend werden würde.
Allerdings verschlechterte sich die Lage weiter als ich im weiteren Verlauf nördlich der Großen Belt Brücke auch Franz Schollmayer mit seiner Corsa 30 ‚Firlefanz‘ und Milan Tomek mit seiner Seascape 27 vorbeiziehen lassen musste. Das war wirklich hart, denn ich tat einfach alles was ich konnte um schnell zu sein und war dennoch machtlos.
Ein mögliches Problem war schnell identifiziert: Von den Rudern hatte ich schon mehrfach größere Büschel Seegras mit dem Bootshaken entfernen können und unter Deck gab es ein deutlich zu vernehmendes Rauschen vom Kiel, das definitiv nicht normal war. Ich diskutierte mit mir ob ich den Gennaker bergen und rückwärts fahren sollte, um das Gras vom Kiel abzubekommen, oder ob ich mich damit abfinden sollte, als Olli sich meldete, dem mein Speed Defizit am Tracker aufgefallen war.
Olli verriet mir sein Geheimtrick, wie ich das Seegras ohne Aufzustoppen loswerden konnte: „Max, eigentlich wollte ich Dir das nie verraten… Aber Du MUSST gewinnen… Also jetzt hör mal gut zu…“
Außerdem hatte Olli noch einen wichtigen Hinweis: „Die zweite Hälfte des Rennens ist Upwind! Da machst Du sie alle platt! Ich wette auf Dich!“
Der Trick erforderte ein bisschen Geschick, funktionierte aber auf Anhieb. Das Rauschen vom Kiel war weg. Der Speed wieder besser.
Bei Æbelø wurde der A2 gegen den Code 0 getauscht, der Wasserballast vollgemacht und nach einem heißen starken Kakao wurde die Aufholjagt gestartet. Der Rückstand auf Patrik an dieser Stelle war 30 Minuten. Während die Boote vor mir langsam wieder größer und hinter mir zügig kleiner wurden und der Autopilot einen guten Job machte, nutzte ich die Gelegenheit zu zwei kurzen Power-Naps a jeweils 10 Minuten. Danach ging es darum sich einen guten Plan für den kleinen Belt zurechtzulegen. Außerdem hatte ich endlich Zeit die TracTrac App zu installieren, so dass ich meine direkten Gegner live verfolgen konnte, was für die Nacht wichtig werden würde.
Der erste Ansatz für den kleinen Belt war aufgrund des Gegenstroms möglichst unter Land zu bleiben und die Innenkurven zu fahren. Es zeigte sich jedoch, dass Franz dies mit seiner ‚Firlefanz‘ etwas übertrieben hatte, denn er parkte vor mir unter Land nördlich von Strib völlig ein, was mich dazu veranlasste nochmal den A2 auszupacken und zu einem schönen Leebogen anzusetzen.
Auf dem Weg zur Autobahnbrücke kam der Code 0 wieder zum Einsatz. Danach ging der A2 direkt wieder hoch. Es zeigte sich, dass es tatsächlich schlauer war mittig zu fahren und den stärkeren Gegenstrom in kauf zu nehmen, weil der Wind dort deutlich besser war. Einfach irgendwie Speed im Boot halten und den A2 stehen lassen…
Als wir den kleinen Belt langsam verließen und etwas Entspannung einsetzte, erkannte ich wie wunderschön sternenklar die Nacht war. Später sah ich eine Sternschnuppe und bei der sollte es auch bleiben. Mein Wunsch hatte übrigens nix mit dem Rennen zu tun. Das hatte ich ja zunehmend besser im Griff.
Ich hatte offensichtlich eine recht gute Passage durch den kleinen Belt gefunden. Patrik war nur noch eine gute Meile voraus und ich war wie von Olli prognostiziert immer zwischen 0,2 und 0,4 Knoten schneller. Während ich an den Schoten rumzupfte und am Autopiloten rumspielte, um die letzten Zehntel Speed rauszukitzeln, schaute ich wie gebannt auf den Tracker, um den Speed mit Patrik zu vergleichen. Dabei viel mir auf, dass sich hinter uns im kleinen Belt ein riesen Drama entwickelte, weil das Feld durch den stetig abnehmenden Wind im Gegenstrom einfach hängen blieb. Puh… Gut dass wir uns da noch rechtzeitig durchgewurschtelt haben…
Querab von Bagö, dort wo das Rennen für mich bei meiner Premiere 2020 ganz bitter in einem Fischernetz endete, hangelte ich mich wegen dem Gegenstrom mit vielen Wenden ganz eng an dem Flach voran, wobei ich jede Minute mit dem Suchscheinwerfer nach Fischertonnen Ausschau hielt.
Der Überholvorgang zog sich noch bis 4:00 Uhr morgens hin. Dirk war der erste Gratulant und die Erkenntnis, dass es so verrückte Menschen gibt, die um diese Zeit noch vorm Tracker hängen und mitfiebern war extrem motivierend!
Auf den letzten Meilen im Morgengrauen hinter Avernakø nahm die Seegras-Problematik wieder zu, so dass Ollis Trick noch viele Male zur Anwendung kam.
Im Svendborg Sund kam dann endlich doch noch der J0 von Björn zum Einsatz, der mir ein ordentliches Grinsen ins Gesicht zauberte, ließ er mich doch bei selber Höhe ein ordentliches Stück schneller fahren!
Die letzte Anfeuerungsnachricht kam von Lisa: „Wenn mein Mann nicht frühstücken kann, weil du Regatta segelst… Sieh zu dass du durchs Ziel gehst!!“ Gesagt – getan.
Im Ziel war ich mega glücklich und erleichtert und ziemlich platt. 22:42:28 hat die Runde dieses Mal gedauert. Abgesehen von den Trimaranen waren nur die Landmark 43 ‚White Shadow‘ mit Karl Otto Book und die Melges 24 von Mattis Franken (meine Hochachtung!!) vor mir angekommen.
Glückwunsch auch an Patrik und Franz zum zweiten und dritten Platz. Und wie letztes Jahr schließe ich mit dem Kommentar, dass ich mich sehr auf das Match mit der Aeolos P30 und Jan Hansen nächstes Jahr freue! Diesmal aber dann bitte wirklich!!
Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei…
- Dirk, dafür dass seine ‚Play Harder‘ segeln durfte und für die vielen aufmunternden nächtlichen Nachrichten!
- Luca & Luca und Chris, die die Play Harder vor der Abreise perfekt vorbereitet haben
- Bernhard, für die tatkräftige Unterstützung bei der Vorbereitung in Svendborg
- Björn für den tollen J0
- Sven Krause für die schnellen Segel und den extra Furler
- Olli für den mutmaßlich siegbringenden Tipp
- und allen anderen Freunden die mitgefiebert haben und mich bis spät in die Nacht und in die frühen Morgenstunden angefeuert und aufgemuntert haben!! Das war wirklich großartig und das macht für mich auch den besonderen Reiz dieses Rennens aus!
Auf ein neues in 2024!
Bericht & Bilder: Max Gurgel