1971. Wir – mein Schotte Wolfgang „Speedy“ Schmidt (R.I.P.) und ich – laufen aus zu unserer ersten Regatta. Frühjahrsregatta. Im Puschen! Den ganzen Winter haben wir bei „Onkel Berni“ Dornheim geschliffen und gepönt und nun wird es ernst. Wir sind aufgeregt. 4-5 Windstärken aus West, Ende März, es ist a….kalt, aber Rolf-Birger „Tutti“ Wahlen, legendärer Wettfahrtleiter des NRV („…..hinterr der Liniääää!“), ist ein harter Hund und lässt auch die Lütten segeln.

Wir kämpfen, wir frieren – und wir gewinnen die Wettfahrt! Allerdings sind die anderen 5 oder 6 Puschen entweder „vollgelaufen“ oder haben aufgegeben. Als wir schließlich nach langer Wettfahrt (Bahnverkürzung wird überbewertet) in der Dämmerung die Linie passieren, sitzt die Wettfahrtleitung schon beim Kaffee und wir kriegen keinen „Tuut“ mehr. Wir rufen, winken – nichts. Also anlegen und ich gehe rauf ins NRV-Büro, kleinlaut, tropfend. Überall Mahagonie, Silber, blaue Sakkos mit goldenen Knöpfen und Einstecktüchern…..aber Frau Richter ist echt nett; sie geht nochmal raus auf die Terrasse und tutet für uns; geht doch!

2024. Das Feeling von vor 53 (mein Gott….) Jahren muss doch reproduzierbar sein. Das Puschen liegt da, restauriert, frisch gepönt und mit Segeln, von denen wir damals noch nicht mal was geahnt haben. Wir hatten so labberige Tücher, wo man das Groß auf Aktentaschengröße zusammenlegen konnte; da hat man nix aufgerollt, das ging gar nicht. Rollt mal einen Feudel auf! Jetzt sind da Clown-Segel, hartes Tuch, erstklassige Regattaversion.

Eine überschlägige Rechnung ergibt: 2 x 50kg = 90kg Crewgewicht. Ich wiege knapp 100…… also einhand, keine Frage, sonst geht da gar nichts. Noch schnell einen Baumniederholer montiert; Den Anblick raumschots steigender Großbäume muss ich nicht mehr haben. Moderater Mastfall, Fock gut durchgesetzt, Ablaufstöpsel zugedreht und dann Start um halb, als erster. So lange war ich noch nie vorn bei der Känguruh! Die Inklusionskonkurrenz ist schnell achteraus und Stefan hatte keine Lust, seine Seezunge an den Start zu bringen. Schade. Dafür steuert er die schönen Fotos bei.

Allerbester Wind, ein guter Dreier. Ich sitze auf der Kante und das Puschen rauscht so richtig ab. Ähnlich muss ich mich 71 gefühlt haben, aber ich erinnere mich nicht……Die erste Wende geht noch in die Hose – das mit der Fock ist gar nicht so einfach, eine dritte Hand wäre gut. Aber ich groove mich ein und es geht von Mal zu Mal besser. Die Kreuzen laufen super und vor dem Wind segle ich sehr schön zu den Böenfeldern. Die Alster scheint mich heute zu mögen; vielleicht erinnert sie sich noch?! Nach 2/3 des Kurses habe ich noch immer einen ganzen Schenkel Vorsprung und beginne, vom Sieg zu träumen.

Aber dann die Tonne 6. Die üble, landabgedeckte Tonne 6. „Milchstrasse“ hiess sie bei uns – die Nummern kannten wir gar nicht. Wie oft bin ich da versauert in den letzten 53 Jahren!? Ich parke also ein, O- und H-Jolle nähern sich rasant mit frischem Wind. Die Alster hasst mich doch. Ich pumpe, ich rocke – Manuel hat‘s nicht gesehen oder er hatte Mitleid – aber es nützt nichts. Am Ende reicht es für Platz 5; hätte ich bessere Manöver gefahren und den Spi gezogen (zu feige – Blamagerisiko!), wäre wohl Platz 3 drin gewesen. Hätte hätte….
Am Ende war es aber tatsächlich ein gelungener Flashback. Schade, dass Speedy nicht mehr da ist….er hätte sicher gern mitgemacht und wir hätten einen Riesenspaß gehabt. Das ATW (alles tut weh)-Syndrom schlägt voll zu, erstmal ne IBU und nen Flens auf Kuny’s Geburtstag. Und um 02:30 die Megakrämpfe und eine Magnesiumbrause…..aber das war die Sache wert!

Also, liebe Jugendliche, das Puschen ist bei der Känguruh nicht chancenlos, soviel ist sicher. Wer Lust hat, kann gern ein paar Trimmtips bekommen. Über die Saison gesehen ist sicher ein Top Ten Platz drin! Sofern keiner an der YS-Zahl rumbastelt……

Autor: Andreas Borrink
Fotograf: Gerd Borrink & Stefan Zeyse

Weitere Artikel