Autor: Matthias Bünger

Ausgelassen und gut besucht war der Tanz in den Mai am HSC, den Kilian Hiestermann als neuer Obmann Geselligkeit dieses Jahr, nach der jähen Corona Zeit erstmals wieder erfolgreich neu belebt hat.
Besonders zu erwähnen sei dabei gerade die tatkräftige Unterstützung unseres neuen, jetzt schon legendären Gastronoms George Debsiyeh und seinem Team, die es sich nicht nehmen ließen, ein gelungenes Buffet und wunderbare Leckereien vom Grill mit gewohnt erstklassigem Service zu spendieren. Eine Tombola zugunsten der Jugend-Segelausbildung mit attraktiven  Sachspenden u.a. von Compass24, NV Charts und Toplicht rundete das offizielle Programm ab und konnte einen vierstelligen Betrag einspielen, der dazu beiträgt, Kinder und Jugendliche mit finanziell schwächerem Background, eine Segelausbildung zu ermöglichen. Anschließend konnte und wurde dem Titel der Veranstaltung nach, gemeinsam bis in die späten Stunden zu den Klängen von DJ Silas in den Mai getanzt werden.

Matthias Bünger, privat

Für mich ging es dann am Hamburger Hauptbahnhof – natürlich nicht ohne DB-typische Irrungen und Wirrungen – um 03:20 a.m per ICE nach München. Schlussendlich konnte ich dann aber doch 10:00 a.m. mit nur einer Stunde Verspätung nach einem ungeplantem Umstieg in Kassel, mit meiner ehemaligen Kommilitonin im Park Café in München bei feinstem Wetter genussvoll frühstücken.
Nach ausgiebigen, gegenseitigen Updates und wunderbaren Geschichten nach über zehn Jahren ging es anschließend mit dem Regionalexpress weiter nach Prien. Dort wartete schon mein Schiffsführer Dirk Thalheim im SC Prien Chiemsee auf seinen Vorschoter…
Gegen Abend ging es für uns dann zum Hofbauer Camping Platz auf dem ich mein Quartier in einem Schlaf-Fass für die nächsten vier Nächte beziehen konnte. Müde von den vielen Eindrücken und der schlauchenden Bahnreiserei, kletterte ich Diogenes gleich in mein Schlaf-Fass, bevor es am nächsten Tag morgens mit der Steuerpersonen-Besprechung für die insgesamt 14 teilnehmenden inklusive Crews weitergehen sollte…

Dirk Thalheim, privat

Bei dem Regatta-Event ging es um nicht weniger als die Titel  „Inklusive Deutsche Meisterschaft-Segeln“ des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) in Kooperation mit dem Deutschen Segler-Verband (DSV), sowie die Bayerische Meisterschaft des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Bayern (BVS) in der Klasse RS Venture Connect.
Gleichzeitig zählte es auch als 1. Spieltag der inklusiven Segel-Serie des „Heinz Kettler Deutschland Cup“. Partner und Ausrichter waren der Segelclub Prien Chiemsee e.V., die Heinz Kettler Stiftung, der Yachtclub Möhnesee und Wir sind Wir Inclusion in Sailing e.V..
Das Teilnehmerfeld setzte sich aus 14 inklusiven Teams aus drei Nationen – Deutschland, Österreich und Belgien – zusammen.  Gesegelt wurde auf von den Ausrichtern gestellten Booten des Typs RS Venture Connect, die weltweit gerne bei Para- und Inklusions-Regatten genutzt werden.

Sven Jürgensen

Mitgliedern stehen am HSC auch zwei solcher Boote diesen Typs zur Verfügung und können nach einer vorhergehenden Einweisung über das Tool gebucht werden. Wer Interesse hat, diese Boote – bspw. auf einer Känguruh-Regatta – mal zu testen: Zögert nicht, Dirk oder mich anzusprechen; auch unser Vize-Kommodore Manfred Böttcher hat letzten Mittwoch auf der Känguruh wieder mal das Potential auch diesen Bootstyps und auch einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Segeln keine Frage des Alters ist! Auch er freut sich, wie alle Segler der Inklusions-Community, daß und wenn sie wächst. Der HSC bietet dafür beste Bedingungen! Tipp: Gelegenheiten nutzen.
Gesegelt werden diese gewichtsstabilen Kieljollen zu zweit im Team; mindestens eine Person mit Beeinträchtigung und eine weitere Person ohne Handicap bilden ein Inklusions-Team.

Sven Jürgensen

Allerdings bin ich nach einem gravierenden, unvorhersehbarem, medizinischen Vorfall Anfang letzten Jahres plötzlich mit einem GdB von 80 auch schwerbehindert. Dirk hat als Querschnittsgelähmter einen GdB von 100, wir bilden so gesehen kein klassisches Inklusionsteam mehr, sondern sogar ein Para-Team, in dem beide Teampartner jeweils ein Handicap haben.
Davon gab es neben den Inklusionsteams auch einige andere Para-Teams im Feld, wir waren also nicht die einzigen in dieser Kombination.

Für mich ist das natürlich eine neue Lebenssituation, aber umso schöner, bereits auch schon vor meinem Schicksalsschlag mit Dirk zusammen ein Inklusions Team gebildet zu haben. Die Selbstverständlichkeit, der Spaß und die Erfahrung aus dem Segeln mit Dirk als Rollstuhlfahrer, hat mir nach dem Aufwachen aus dem Koma gerade in den ungewissen Phasen, viel Gewissheit gegeben: Selbst, wenn ich nicht wieder gehen können sollte, Segeln werde ich schon, dank dem Inklusions-Ansatz, irgendwie wieder gedreht bekommen. Das gibts und das auch ziemlich smooth und mit coolem Style, wie Dirk es mit Köpfchen immer schon bewiesen hat…
Eigentlich kannte ich mich mit dem Binnen-Segeln sehr wenig und noch weniger mit Regatta aus, sondern bin väterlicher Seits seit meinem ersten Lebensjahr während nahezu jeden möglichen Ferien zum Dickschiffsegeln in Holland schanghait worden… Aber Inklusion, dachte ich mir, ist dann noch etwas Spannendes und Innovatives, weil Vieles einfach von der Mechanik bis hin Teils auch zur Segel-Methodik neu gedacht werden kann und auch muss… nicht immer nach Schema F, weil „man(n)“ es halt immer so macht… Und tatsächlich habe ich durch die vielen Wettfahrten mit Dirk eine Menge von und mit Dirks sehr klarem und analytischem Stil neu gelernt und manches vielleicht sogar auch verstanden…

Und Bumms so schnell kann’s gehen! Da auch durch einen Rückenmarksinfarkt neben vielen anderen physischen Baustellen mein linkes Bein gelähmt war, musste ich mich nach einem Monat Koma und damit verbundener Atrophie über eindreiviertel Jahr wieder aus dem Rollstuhl heraus kämpfen…
Und grob nach einem Jahr bin ich mit Dirk als westfälisch-stoisch-gelassenem Bootsführer als Para-Team wieder mitten im Regatta-Zirkus, sogar auch noch auf dem Chiemsee unterwegs! Daran hätte keiner denken können; am wenigsten ich selbst!

Sven Jürgensen

Danke Dirk, für deine Besuche auf der Intensivstation, auch schon während meines Komas und auch später nach dem Aufwachen und noch später während meiner Reha in Bad Bramstedt.
Vorallem auch Danke für deine Geduld mit mir, nun noch verpeilterem Zausel, besonders in stressigen Wettkampf-Situationen, die mich physisch und mental an meine jetzt noch kleiner gewordenen Grenzen bringen. Du hast eine ruhige, genial trockene Art es mir charmant-süffisant zu spiegeln, wenn ich mental mal wieder völlig abdrifte. Das hilft, dass ich mit ein bisschen Abstand manchmal selber  aus dem Nichts über mich schallend lachen muss…
… Es bleibt spannend; mindestens 2 Spieltage des Heinz Kettler Deutschland Cups liegen noch vor uns… Halte durch! ;-)

An den vier Tagen konnten alle Teams vor der malerischen Kulisse des Chiemsees insgesamt 19 Wettfahrten im Segel-Liga-Format gegeneinander bestreiten. Die Bedingungen an den vier Segeltagen waren perfekt, mit gutem Wind und viel Sonne. Der ausrichtende Segelclub Prien Chiemsee war ein wunderbar herzlicher Gastgeber, alle Teams waren bestens betreut und versorgt. Die Wettfahrtleitung hatte die Bahn und Teams stets im Griff und einen klaren Überblick.

Foto: Sven Jürgensen, v.l.n.r.: Tim Trömer, Nadine Löschke, Jürgen Brietzke, Siegmund Mainka, Klaas Fiete Kruck, Tjark Schimmel, Christian Bodler (kniend), Manfred Steingress (stehend), Jörg Meierdiercks (stehend), Felix Schnor (Rolli), Matthias Bünger (stehend), Dirk Thalheim (Rolli)

Nach dem 1. Spieltag „Heinz Kettler Deutschland Cup“ liegen Dirk und ich mit Team “Alster HSC” auf Platz 9. Sieger waren Team “Youngster”, Tjark Schimmel und Klaas Fiete Kruck aus Bremerhaven gefolgt von  Team „Die Zwei“ – Jürgen Brietzke und Siegmund Mainka aus Borken, gefolgt vom Team “Oldis” Christian Bodler und Manfred Steingress aus Prien  auf Platz 3.
Bei der Wertung zur „Bayerische Meisterschaft Segeln RS Venture Connect“, bei der in Para-Teams gewertet wurde, kamen wir sogar unverhofft auf den 2. Platz.

1. Platz „Trölös“ -. Tim Trömer und Nadine Löschke
2. Platz „Team Alster-HSC“ – Dirk Thalheim und Matthias Bünger
3.Platz „Pippilotta“ – Felix Schnor und Jörg Meierdiercks

Alles in allem war es für mich, aber auch für uns als Team ein wunderbarer Saison-Auftakt, der trotz meines Unglücks Lust auf mehr macht:  Mehr HSC, mehr George am Grill, mehr Regatten, mehr Segeln.

Alle Informationen zu den Teams und Ergebnisse zum Event in Prien:
https://www.manage2sail.com/ch/event/443c9352-d706-4b5a-985d-ae870523e607#!/

Weitere im Heinz Kettler Deutschland Cup geht es mit dem 2. Spieltag vom 19. bis 21. Juli am Yachtclub Möhnesee und dem Finale am 5. und 6. Oktober beim Schweriner Segler-Verein von 1984

Der Heinz Kettler – Inklusiver Segel Länder Pokal wird am 3.und 4. davor ebenfalls beim Schweriner Segler-Verein von 1984 ausgetragen

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